Rudolf Bachmann blickt beim Vesper auf seine Tätigkeit als Stadtrat zurück. Foto: Buckenmaier Foto: Schwarzwälder Bote

Kommunalwahl: Warum Rudolf Bachmann nach 30 Jahren im Stadtrat meint: "Irgendwann ist Schluss"

Wie schafft es ein Zimmermann, sich seit Jahrzehnten im Stadtrat zu behaupten, immer mit beachtlicher Stimmenzahl vom Wähler im Amt bestätigt, obgleich er nie für Schlagzeilen sorgte und im Stadtparlament – vordergründig – eher zu den ruhigeren, unauffälligen Zeitgenossen zählte? Dieses Geheimnis lüftet Rudolf Bachmann zuhause am Küchentisch. So wie er’s mag: bei Most und schwäbischem Vesper.

Nagold-Pfrondorf. Es sind diese denkwürdigen Abende im Leben eines Lokaljournalisten, der glaubt die Stadt und seine Menschen aus dem Effeff zu kennen. Aber dieser 69-jährige Zimmermann, der stets vis-à-vis im Sitzungssaal saß und sich auch nur dann meldete, wenn er auch wirklich was Handfestes zu sagen hatte, ist ein anderer, wenn man ihn näher kennt: gesegnet mit einem "gnadenlosen Humor", wie Sitznachbarin Siegrid Plaschke meint. Ein Abend mit Rudolf Bachmann – das ist schwäbisches Kabarett verknüpft mit seinem reichen Anekdotenschatz, den er in 30 Jahren als Stadtrat, in fünf Jahren als Kreisrat und in 35 Jahren als Ortschaftsrat angesammelt hat.

Er kann sich noch gut entsinnen, an seine ersten Beschlüsse, die er mittrug: die Erschließung des Steinbergs und der Neubau des Badeparks. Damals war Joachim B. Schultis noch OB. Er schätzte den Nachfolger Rainer Prewo: "Der hat viel bewegt." Aber in Erinnerung bleiben ihm auch dessen schier endlos erscheinenden Debattenbeiträge. Es gab dann nur zwei Möglichkeiten, erinnert er sich: Entweder knallte der eigene Kopf vor Schläfrigkeit auf die Ratstischplatte – "oder du hoscht halt irgendwann d‘ Hand g’hoba." Das heutige Stadtoberhaupt Jürgen Großmann hat er schon im Kinderwagen vor sich her geschoben. Die beiden sind nämlich Vettern. Bei genauem Hinsehen erkennt man auch die frappierende Ähnlichkeit. Aber Rudolf Bachmann hat daraus nie Kapital geschlagen. Politisch nicht und schon gar nicht geschäftlich.

Seine Zimmerei, die er erst vor wenigen Jahren abgab, hat er genauso geführt, wie er als Kommunalpolitiker handelte: offen, ehrlich, unbestechlich. Oder wie man in Nagold zu sagen pflegt: "fatzengrad".

Seine Kundschaft, das waren zugleich auch seine Wähler: "Es gibt nicht viele Häuser, in denen ich nicht gschafft hab`", sagt er. Und wenn er über die Frage sinniert, warum er für seine Freien Wähler immer ein gewichtiger Stimmenfaktor bei den Kommunalwahlen war, dann meint er trocken: "Weil du mit de Leut‘ guat warst."

Schon sein Vater Hans war so ein Original und konnte eine ganze Wirtschaft unterhalten. Seine Stube in Pfrondorf war so eine Art zweites Rathaus. Hier ging im Flecken ein und aus, wer sprichwörtlich Rat suchte. Kommunalpolitik – das liegt den Bachmanns in den Genen. Sie stammen eigentlich aus Rotfelden. Schon der Uropa saß im dortigen Gemeinderat. 150 Jahre Kommunalpolitik über alle Generationen hinweg – bis heute: Und schon wieder schickt sich ein Familienmitglied an, diese Tradition fortzusetzen: Tochter Sandra Hörmann kandidiert auf den Spuren des Vaters auf der Freien-Wähler-Liste.

Rudolf Bachmann hat sie alle noch gekannt und miterlebt – jene Originale im Stadtrat, als die Debattenkultur noch weit deftiger als heute war und ein erzürnter Stadtrat dem damaligen wie vom Blitz getroffenen OB Schultis ein "Wissen Sie was, Herr Oberbürgermeister, Sie können mich mal am A…lecken", entgegen schmetterte. "Ich könnt‘ a Buch schreiba", sagt Rudolf Bachmann und greift verschmitzt zum Glas Most, der jedes Jahr neu unten in seinem Keller reift.

Nicht immer war’s leicht für ihn als Zimmermeister, das Geschäft und die Kommunalpolitik in Einklang zu bringen. Vor allem als Kreisrat kam er an seine "Schmerzgrenze": Wenn er noch am helllichten Tag vom Dach runter musste – "ob d’Sparren drauf sind oder nicht", um dann in der Sitzung über Schneewittchen-Apfelsaft zu debattieren, "sind bei mir d’Haar naufgestanda wia meim Schäferhund". Und wenn sich, wie nicht selten, die Gemeinderatssitzung bis nach 22 Uhr hinzog, dann fuhr er auch schon mal dazwischen: "Ich hab Zimmermann g’lehrt und nicht Nachtwächter."

Man wird diesen kantigen Mann, der immer mit seiner schweren schwarzen Tasche zur Sitzung erschien und diese für seine Nachbarn mit viel Ingwer-Bonbons versüßte, nicht nur in seiner Fraktion, sondern im ganzen Stadtrat vermissen, weil er war, für was er stand: bodenständig und authentisch.

Aber sein Entschluss steht schon seit geraumer Zeit fest: Nach 30 Jahren im Stadtrat zieht er einen Schlussstrich: "Jetzt isch guat", sagt er, "irgendwann ist Schluss". Schon beim letzten Mal vor fünf Jahren musste man ihn zur Kandidatur überreden. Und sowieso: Es gebe soviel gute Leute auf der Liste, da macht er gerne für die Jüngeren Platz. Damit so ein Gemeinwesen funktioniert, philosophiert er auf gut Schwäbisch, "braucht man Leut, die in die Welt neipasset". Besser hätte man Rudolf Bachmanns Wirken für diese Stadt nicht beschreiben können.